Grantstown Castle, 1998-2004
Grantstown Castle, 2005-2006
Grantstown Castle, 2007
Grantstown Castle, 2008
Grantstown Castle, 2009
Grantstown Castle, 2010
Grantstown Castle, 2011
Die Grantstown Story:
Ein irisches Castle erwacht zu neuem Leben
(Auszug aus einem Artikel über Grantstown Castle, Juli 2004, von Viola Zetzsche):
„Auf einem sanft ansteigenden Hügel im County Tipperary, direkt an der kleinen, alten Straße von Kilfeacle kommend, steht der steinerne Turm von Grantstown. Zwanzig Meter ragt er in den wechselhaften irischen Himmel empor. Wolken durchziehen das tiefe Blau und treiben ihr vielfarbenes Spiel von Licht und Schatten über die Hügel ringsum und den grünen Nachmittag aus Gras und Weite.
Ein Tower House, 500 Jahre alt, das viele Schicksale kennt und viel gesehen hat. Männern und Frauen - und davon vielleicht in den letzten fünf Jahren mehr, als in den vergangenen dreihundert Jahren zuvor. Zwei Häuschen, Cottages, scheinbar genauso alt - aber dafür zu maßgenau gefügt und zu gut erhalten - stehen neben dem Turm, seit kurzem erst, in gotischer Bauart. Darin das Holz einer alten, thüringischen Scheune verbaut und Butzenscheiben aus Schloss Wernburg, einem sterbenden Schloss, an einem anderen Ort.
Ich trete ein. Drin ist es kühl und dunkel und eine beispiellose Stimmung liegt im Raum. Als meine Augen sich gewöhnen sehe ich, dass jemand Grantstown Castle zu neuem Leben erweckt. Wuchtige Kanthölzer, Steine und allerhand Werkzeug liegen dafür bereit. Ich folge einem Klopfen. Die gewendelte Treppe hinauf erschließen sich Blick für Blick Raum um Raum, meterdicke Kalksteinmauern, niedrige Türen und gotische Spitzbogenfenster.
Ich halte inne. Durch das eingebrochene Kaminloch fällt ein Sonnenbündel herein, wie das Morgenlicht durch ein Bleiglasfenster im Kölner Dom, auf das Gesicht einer blutjungen Frau, die aus dem Dunkel tritt. In der finsteren Great Hall erstrahlt dieses Antlitz - so makellos, es auf einem Gemälde in Purpur zu hüllen - die Farbe der Königinnen... Doch diese hier hält Hammer und Meißel in schmalen, rauen Händen. Ihre Pelzweste gegen den garstigen Wind, wird von einem Nagel zusammengehalten. Eine Kapuze über dem kastanienbraunen Haar, kniet sie auf einem Baugerüst, in Steinmetz-Hosen - und es ist ihr ernst damit.
Es sind auch Männer hier, zwei in ihrem Alter. Sie schauen stumm zu ihr hinüber und auf das ebenmäßige Gesicht. Ein Moment nur - dann ist er vorbei. „Such mir mal einen größeren Stein raus!", tönt es vom Gerüst herunter. Ein junger Mann mit flachsblondem Haar, in schneeweißem Zunfthemd, die Ärmel aufgekrempelt, beugt sich über einen Bruchsteinhaufen, schaut prüfend nach den ungleichen Stücken, zieht eines von unten hervor und dreht es vor seinen horizontblauen Augen hin und her. Zufrieden reicht er den Kalkstein weiter, zu dem schlanken, größeren oben auf dem Gerüst. Der nimmt ihn und passt ihn sorgfältig in das zerfallene Kaminloch, um es zu schließen. Den schweren Segmentbogen über einem gotischen Schlitzfenster haben die drei neu gesetzt, wie vor fünfhundert Jahren. Den Urzustand herstellen... Welch großes Werk."...
Der Anfang und etwas Geschichte(n)
Nach Jahren des Suchens, nach Erfolgen und Rückschlägen, wurden wir im Frühjahr 1997 endlich fündig: Irland. Die Grafschaft Tipperary. Die grüne, fruchtbare Ebene zwischen der alten Königsstadt Cashel und Limerick. Die Baronie von Clanwilliam. Der steinerne Turm von Grantstown Castle.
Grantstown entsprach nahezu vollkommen dem was wir zu finden hofften. In der Grundsubstanz solide, keine Risse, die von beweglichem Untergrund zeugten, ein trockener Standort auf einem Hügel und originale Fensteröffnungen. Und vom Wehrgang aus schweift der Blick über das gesamte Golden Vale. Fünfhundert Jahre schon trotzt dieses Tower House dem wechselhaften irischen Wetter. Es ist ein eindrucksvolles und wertvolles Beispiel irischer Architektur zum Ende der gotischen Ära.
Erbaut zwischen 1480 und 1530 von den de Burgos, einer Familie des alten normannischen Adels, befand es sich im 16. Jahrhundert unter der Herrschaft Thomas Butlers, des 10. Earls of Ormond.
Dessen Bruder, Piers Butler of Grantstown, oblag die Kontrolle der umliegenden Gebiete. Jener Piers Butler - dies sei hier als Kuriosum erwähnt - war ein Großcousin Königin Elizabeth I. von England!
Hier lag in der Tat ein offenes Geschichtsbuch vor uns, in dessen vergilbten Seiten wir blättern, und dessen verblasste Tinte wir entziffern wollten. Nach mehreren Monaten der Verhandlung konnten wir Grantstown Castle 1998 schließlich erwerben. Nun begann die Planung.
Unsere ersten Arbeiten betrafen vorerst die minutiöse Bestandsaufnahme des baulichen Zustandes des Gebäudes. Es wurden Zeichnungen von allen Ebenen und Ansichten des Turms angefertigt. Lose Steine auf den Mauerkronen der beiden Turret-Plattformen wurden gesichert und Nestmaterial und Pflanzen aus allen Innenräumen des Turms wurden entfernt. Das vom letzten Besitzer installierte Notdach wurde vorerst weitgehend abgedichtet. Ein Jahr später konnten wir mit dem Verlegen der Versorgungsanschlüsse beginnen. Es wurde ein Mehrkammer-Abwassertank installiert. Das Castle wurde mit Wasser- und Stromanschluss versehen. Wir waren nun für größere Arbeiten gerüstet.
Die Fachwerkhäuser
Während unseres „Überwinterns" in Deutschland ergab sich im Frühling 2000 durch glückliche Umstände die Aussicht auf große Mengen ca. 200 Jahre alter Holzbalken. Seit einigen Jahren waren wir bereits auf der Suche nach altem Bauholz. (Wer einmal einen Jahrhunderte alten, von Hand gebeilten Balken gesehen hat, weiß wovon ich spreche...) Für die Restaurierung eines historischen Gebäudes ist äquivalentes Bauholz fast immer von Vorteil - schon allein wegen des optischen Eindrucks. Jene „großen Mengen" Balken befanden sich jedoch noch in eingebautem Zustand und stellten die größte Fachwerk-Scheune (ca. 200 qm Grundfläche zu 2 Etagen) in einem unserer Nachbar-Dörfer dar. Der Preis war symbolisch, allerdings mussten wir das Gebäude selbst abbauen. Gemeinsam mit Freunden machten wir uns an die Arbeit. Nach fast drei Monaten hatten wir ca. 20 Tonnen Holz zur Verfügung. Aber das Wesentliche daran: Wir waren nun in die Künste des Fachwerkbaus eingeweiht. Denn ohne eine Säge zu verwenden hatten wir das komplette Gebäude sorgsam demontiert, indem wir die Holznägel herauslösten. Eine ganze Gebäudestruktur hatte sich uns dabei offenbart.
Es war in jenen Wochen, als die Idee zum Bau eines eigenen kleinen Fachwerkhauses keimte. Wir hatten nun Holz in Mengen. Für die Decken der Zwischenetagen des Castles würde es allemal reichen. Weitere 22 schwere Balken von der alten Scheune meiner Großeltern hatte ich ohnehin seit Jahren gelagert. Nun würde sich auch ein Transport nach Irland lohnen.
Mit einem Berg an Büchern über historische Bautechniken begab ich mich ans Zeichenbrett. Schmuck wurde für einige Zeit zur bedrohten Spezies.
Ich glaube, man hielt uns damals für verrückt. Aber heute stehen drei Fachwerkhäuser mittelalterlicher Bauart um das Castle von Grantstown. Wir entschlossen uns zu diesem Schritt aus drei Gründen:
Während der Restaurierung von Grantstown würden wir sehr viele Jahre auf einer Baustelle leben. Werkzeuge und Maschinen mussten sicher aufbewahrt werden. Helfer und Gäste würden hier wohnen, Besucher empfangen werden. Ein Leben im Caravan ist für einige Wochen kein Problem, für Jahre jedoch unzumutbar.
Historisch belegte Quellen verweisen auf die Existenz von Fachwerkhäusern in direkter Umgebung der Castles. Beschreibungen dafür gibt es in fast allen europäischen Ländern. Der „Keep" oder „Strong Tower" oder „Donjon" bildete lediglich den zentralen Rückzugspunkt. Das tägliche Leben spielte sich dagegen in den umliegenden Häusern ab.
Wir fühlen uns der Tradition historischer Baukünste verpflichtet. Wir möchten der Öffentlichkeit einen authentischen Eindruck mittelalterlicher Arbeitstechniken und Materialien vermitteln. Anschaulich und nachvollziehbar soll der Beweis erbracht werden, dass auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts historische Konstruktionstechniken und Baustoffe noch gültig und aktuell sind.
In den Frühjahrs- und Sommermonaten des Jahres 2003 wurden nahezu alle Innenarbeiten in beiden Häusern ausgeführt. Haus Nr.1 kann nun während der Bauphase als Wohnbereich von uns genutzt werden. Es ist gleichsam unser Büro und stellt überdies einen dringend benötigten Aufenthalts- und Versorgungsraum für Helfer und Mitwirkende des gesamten Projekts dar.
Im zweiten Gebäude können jetzt Werkzeuge und Baumaterialien sicher gelagert werden. Es gibt endlich einen trockenen Werkstattbereich und unterm Dach ist Platz zum Übernachten.
Im vergangenen Jahr (2006) kam ein weiteres kleines Fachwerkhaus hinzu, in welchem sich nun endlich meine Schmuckwerkstatt befindet. Während der letzten Jahre war unser Leben zwischen Schloss Arnshaugk in Deutschland und Grantstown Castle hier in Irland so zweigeteilt, dass mein Schmuckdesign zur reinen Winterarbeit in Arnshaugk wurde. Nun, da ich hier in Grantstown „arbeitsfähig" bin, werden sich die Dinge ändern.
Ansichten und Aussichten
Während der letzten Jahre wurde dieser interessante Ort mehr und mehr zum Anziehungspunkt für historisch Interessierte, Ausübende traditioneller Handwerke, professionelle und passionierte Zimmerleute und Steinmetzen, Künstler und Mittelalter-Begeisterte. Auch scheint das Interesse der Öffentlichkeit an historischen Themen verstärkt zu wachsen. Die Verarmung des täglichen Lebens durch eine unaufhaltsame Flut stereotyper industrieller Produkte weckt die Sehnsucht nach etwas Wahrhaftigem. Immer häufiger waren wir Fragen ausgesetzt wie: Woher bekommt man solche Fenster? Wer kann mir diese Eisenbeschläge anfertigen? Ist das alles wirklich von Hand geschmiedet? Kann man wirklich ohne Zement bauen? Kann ein Steinmetz heutzutage noch so etwas? Was ist eine Schwalbenschwanz-Verbindung? Wieder verwendete Schieferplatten? Atmende Mauern? Kann man denn heute noch in so etwas leben? Oft fanden wir uns dann in folgender Situation wieder: Umringt von Schaulustigen und zufällig auf uns aufmerksam gewordenen Interessierten, hielten wir geschichtliche Vorträge, während wir unsere Balken oder Steine bearbeiteten. Menschen kamen aus Neugier und gingen mit neuem Wissen. Viele kamen zurück aus reiner Begeisterung. Für uns war dies Bestätigung - und bereitete gleichsam den Weg für neue Ideen.
Dieser Ort bietet den Raum und das Potenzial für etwas Größeres. Er könnte sich zu einem Zentrum für historische Künste und Handwerkstraditionen entwickeln. Für Menschen, denen unkonventionelles Denken und Handeln vertraut sind. Während unserer langjährigen Beschäftigung mit der mittelalterlichen Thematik, insbesondere die alten Techniken und Künste betreffend, lernten wir eine große Zahl dieser Menschen kennen. Viele jener Gleichgesinnten sind zu Freunden geworden und die gegenseitige Motivation die daraus entspringt macht uns froh und zuversichtlich.
Bausaison 2007
Nachdem wir 2006 die große Galerie (eine Empore über der Great Hall, dem Hauptraum des Castles) fertigstellen konnten und überdies meine Schmuckwerkstatt errichtet haben, haben wir uns in 2007 ausschließlich mit Steinarbeiten beschäftigt.
Jene Bausaison betraf in erster Linie die Wiederherstellung der Mauerkronen des Turms. Dabei wurden der Wehrgangsbereich, die Wasserabführung und die Zinnen vollständig rekonstruiert. Für die schrägen Zinnenspitzen hatten wir alle Werksteine bereits während der vergangenen zwei Sommer angefertigt. Nun konnten sie endlich gesetzt werden. Der komplette Wiederaufbau der Zinnen zog sich für Marcel, den eifrigen Steinmetz und mich über acht Wochen hin. Es war bisher die grenzwertigste Arbeit für nur zwei Personen und absolutes Kraftlimit. Das Setzen des gewaltigen Kamins und das Mauern des dazugehörigen, 10 m hohen Schornsteins erwiesen sich im Vergleich zum Zinnenbau geradezu als Erholung...
Am 21. Dezember zur Wintersonnenwende brannte das erste Feuer seit vielleicht 300 Jahren in der Great Hall. Der neue Kamin funktionierte perfekt. 40 Gäste feierten bei Kerzenschein und Renaissancemusik durch die längste Nacht bis in den Morgen. Ein weiteres, hartes Jahr war zu Ende. Und die Pläne für ein weiteres lagen schon bereit...